Die Geschichte des „Lüner Hansetuchs“ ist ein kulturelles Abenteuer. Sein Vorbild war ein berühmtes „Tuch“. Erst 25 Jahre später sollte es allerdings das werden, was sein Name versprach. Im Jubiläumsjahr 2016, als die Stadt Lünen die Verleihung ihrer Stadtrechte vor 675 Jahren feierte, entstand aus der Gemäldesammlung ein Wandbehang, der auf Reisen gehen kann – so wie die Kaufleute während der mittelalterlichen Hansezeit. Dass die Kunstwerke in ihrer Gesamtheit nun auch ihrem Namen gerecht werden, ist dem Förderverein für Kunst und Kultur Lünen e. V. zu verdanken. Er setzte die Idee eines großen Hansetuchs um und finanzierte das Projekt: Die Gemälde wurden fotografiert, um sie auf eine Kunststofffolie von 4,15 X 15,50 m drucken zu lassen. Wenn sich das riesige Bild gerade nicht über eine Wand der Stadtgalerie ausbreitet, kann es die Stadt Lünen in andere Hansestädte ausleihen. In den ersten Jahren der Sammlung wurden die Gemälde in eigens dafür angefertigten Transportkisten zu Hansetagen in die jeweiligen Städte geschickt. Je mehr Exponate es wurden, umso mehr verabschiedete sich die Stadt aus Kostengründen von dieser Marketing- Idee. Das neue „Tuch“ verhilft nun dem Ursprungskonzept zur Auferstehung.
Nichts Geringeres als der biblische Gobelin von Marc Chagall in der Knesset von Jerusalem war 1988 Anregung für das „Lüner Hansetuch“. Angesichts des prächtig gestickten Wandteppichs geriet eine Delegation engagierter Lüner ins Schwärmen. Wieder zu Hause entwickelte sich die Idee, anlässlich der 650-Jahrfeier der Stadt im Jahr 1991, das „Hansetuch“ als eine internationale Gemäldesammlung zu präsentieren. Da Zwolle, die niederländische Partnerstadt, seit 1980 zur „Hanse der Neuzeit“ aufgerufen hatte, erinnerte sich Lünen daran, im 14. Jahrhundert dem mittelalterlichen Hansebund angehört zu haben, und verquickte den Wiederbelebungsgedanken des Nachbarlandes mit seinem Kunstprojekt. Die Stadt schrieb 20 Hansestädte an, ein Ölgemälde im Format 1 X 1,50 m einzusenden. Unter drei thematischen Vorschlägen konnten die Künstler wählen: „Die Darstellung von Szenen aus der Hansezeit“, „Bildliche Interpretation des Hansegedankens in der Neuzeit“ und „Zukunftsvisionen einer Grenzen überschreitenden Zusammenarbeit“.
Das Echo war erstaunlich. Über die Jahre 1989/90/91 kamen Kunstwerke aus Bergen, Bremen, Brügge, Danzig, Deventer, Hamburg, Kalmar, Kampen, Köln, Kopenhagen, Krakau, London, Lübeck, Lünen, Magedeburg, Nowgorod, Riga, Rostock, Stralsund, Tønsberg und Zwolle. Die Umstände ihrer Reisen bescherten der Stadt Lünen und den absendenden Städten aufregende Erfahrungen über Zoll- und Reisebestimmungen, die durchaus als hanseatisch gelten können. Das Kunstwerk aus Nowgorod – damals noch UDSSR – transportierte zum Beispiel das Lazarus-Hilfswerk. Mit dieser Geste verband es die Bitte, sich durch einen öffentlichen Spendenaufruf an der humanitären Hilfe für Russland zu beteiligen. Dace Liela aus Riga nutzte die Gelegenheit, in den Westen zu reisen. Sie lieferte ihre Arbeit persönlich im Kulturbüro ab. Die Überbringung des Brügger Kunstwerkes musste dreimal wegen der nur ungenau zu terminierenden Vaterwerdung des Künstlers Renaat Ramon verschoben werden. Die Hamburger zierten sich zunächst überhaupt mitzumachen, desgleichen die Londoner – beteiligten sich aber dann doch. Deventer hörte von dem „Unternehmen Hansetuch“ und bewarb sich, ohne angeschrieben zu sein.
Mit Kunstwerken aus Tallinn, Brilon und Stade von 1992 bis 1994 erweiterte sich die Sammlung auf 24 Bilder; auch sie fanden auf den Rückwänden des Hansesaals Platz, wurden aber wenig wahrgenommen. Erst 15 Jahre später besann sich die Stadt auf die potenzielle Tragweite des „Hansetuches“ und setzte ihre Aufforderungen an Hansestädte fort, Gemälde zu schicken. Seit 2008 reiste Kunst aus Buxtehude, Demmin, Dortmund, Frankfurt/Oder, Herford, Kamen, Kaunas, La Rochelle, Lüneburg, Münster, Salzwedel, Schwerte, Stettin, Unna, Werne und Wismar in die Lippestadt. Lünen entschied, die Sammlung bei 40 Kunstwerken zu beenden. Auf dem „Hansetuch“ sind alle Gemälde alphabetisch nach Städten geordnet und zum Reisen bereit. Die Originale bleiben im Hansesaal – als steter Kunstschatz mit hohem Symbolcharakter europäischer Verständigung.
Barbara Höpping
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WEITERE INFORMATIONEN
Die Stadt Lünen hat eine eigene Seite für das Hansetuch eingerichtet. Dort finden Sie alle Bilder, einen Film und alles zur Neuzeitlichen Hanse.